Als Gast Stefan Wenzel
| Kapitel | Thema | Zeitpunkt |
|---|---|---|
| Kpt. 1 | Von Otto bis Ebay - Die Geschichte von Stefan Wenzel | 00:14 |
| Kpt. 2 | Stefans Verständnis von Digitalisierung | 02:45 |
| Kpt. 3 | Wie muss ein Unternehmen Digitalisierung organisieren? | 06:05 |
| Kpt. 4 | Wer braucht schon einen CDO? | 08:33 |
| Kpt. 5 | Tipps für Traditionsunternehmen | 11:20 |
| Kpt. 6 | Befindlichkeitsmanagement vs. Kapitaleffizienz | 13:55 |
| Kpt. 7 | “Culture eats strategy for breakfast” | 16:00 |
| Kpt. 8 | Der Fortgang von Tom Tailor | 20:00 |
| Kpt. 9 | Die richtige Motivation | 23:22 |
| Kpt. 10 | Das System Ebay? | 26:53 |
| Kpt. 11 | Das Innovations-Gen | 34:40 |
Michael Atug: Moin, hallo und servus bei Dreimal digital mit Stefan Hamann und Markus Diekmann! Heute als Gast dabei: Stefan Wenzel von der Firma himself, ehemals eBay-Deutschland-Chef. Stefan, so haben wir uns auch glaube ich ganz kurz dann auch kennengelernt, dann warst du aber schon weg. Dann warst du bei Tom Tailor – ich sage jetzt einmal – Digital-Chef, kannst du ja gleich vielleicht genauer sagen. Stell dich doch einfach einmal vor!
Stefan Wenzel: Moin, danke für die Einladung. Stefan Wenzel, 48 Jahre alt, seit 1990 im digitalen Zirkus unterwegs. Unterschiedlichste Stationen dabei genossen, zweimal in der Otto-Gruppe. Habe also tatsächlich, wenn ich das einmal von der anderen Seite aus zusammenfasse, E-Commerce auf der Handelsseite, auf der Markenseite und auf der Marktplatzseite kennenlernen dürfen. Otto, wie gesagt, auf der Handelsseite. Ich bin aber auch auf der Markenseite unterwegs gewesen bei Max Fashion, habe das E-Commerce für die aufgebaut. Bei Tom Tailor, wie eben schon erwähnt, das E-Commerce geleitet. Aber auch bei McLaren in der Formel 1, habe für die das E-Commerce gegründet und skaliert. Dann habe ich einen Shopping-Club einmal geleitet als Geschäftsführer, Brands4Friends. Das ist auch ein Geschäftsmodell was interessant ist und über das man jetzt lange drüber streiten kann, aber spannendes Thema. Und dann last but not least, wie eben erwähnt, das Thema eBay. Die Marktplatzseite intensiv kennengelernt, zunächst zuständig für das (unv.) Vertical auf ebay.de, und dann später zuständig für das Deutschlandgeschäft. Insofern 21 Jahre Villa Kunterbunt. Alles dabei: Handel, Marke, Marktplatz und Shopping-Club. Neun Jahre im Ausland, zweimal Niederlande, einmal England und natürlich dann die Stationen in Deutschland. Ich lebe privat in Hamburg, verheiratet, neunjährige Tochter. Kann losgehen.
Michael Atug: Cool! Jetzt ist mir natürlich auch klar, warum du da in diesem Top-100-Ranking bei der Textilwirtschaft zu den führenden Managern im Bereich Digitalisierung ernannt wurdest. Da habe ich ja kaum noch Fragen. Du warst ja schon wirklich viel unterwegs, hast da auch echt teilweise, wie ich das so mitbekommen habe, auch richtig Gas gegeben und auch einige Sachen verändert. Spannend. Wirklich, wirklich spannend! Ich denke einmal, da kommen jetzt gleich so zwei, drei interessante Fragen zusammen. Aber von mir aus erst einmal die Frage: Wie hat sich denn für dich alles so entwickelt? Also die Digitalisierung – ich frage immer so gerne: Was verstehst du eigentlich unter Digitalisierung? Das ist immer ganz ulkig, was da für Antworten herauskommen. Wie hast du das kennengelernt? Du bist ja schon schon lange dabei. Ich habe 2001 bei eBay angefangen, wir sind da schon so Dinosaurier. Jeder auf seine Art natürlich. Wie war das für dich? Ist das schlimmer geworden? Besser geworden? Verstehen die Leute, mit denen du redest, überhaupt, worüber du redest? Das habe ich immer so, das Problem. Gerade in den größeren Firmen, wenn ich da so enie Beratung mache, denke ich: „Mein Gott, die sind ja so schlecht aufgestellt teilweise. Viel schlechter als irgendso ein kleiner Online-Händler, der einfach immer am Punkt ist, am Puls der Zeit.“ Wie ist das für dich? Erzähl doch einmal ein bisschen.
Stefan Wenzel: Wenn du dir jetzt die Companies anschaust, in denen ich war, da ist natürlich eine unterschiedliche Reife, gerade was das Thema digital angeht, offensichtlich. Du hast Legacy-Firmen und damals gehörte ja auch ein (Otto?) noch dazu. Da war halt nicht Legacy physischer Retail, da war Legacy der Katalogversand. Aber natürlich sind auch Firmen wie McLaren aus einer anderen Perspektive auch Legacy-Unternehmen, wenn es um Digitalgeschäft geht. Die sind natürlich hoch hochtechnisiert und machen natürlich Leading-Edge-Themen im Bereich des Automobilbaus, Electronics und so weiter. Aber natürlich nicht in dem, was wir unter Digitalthemen verstehen. Insofern ist das in der Tat ein ziemlich roter Faden, der sich seit ’99 da hindurchzieht. Und ich kann das nachvollziehen, was du sagst. Es ist in der Tat so, dass auch heute aus meiner Sicht wir immer wieder die Themen diskutieren, die eigentlich damals auch schon auf dem Tisch waren. Es ist jetzt schon so, glaube ich, dass man abgesehen mal von PR-Aktivitäten und auch viel (Boardroom-)Romantik ganz selbstkritisch mal in viele Firmen hineinschaut, und dann hat sich vieles bewegt. Aber es ist auch noch eine Menge Luft nach oben. Das sieht man ja auch aktuell an dem, was da gerade passiert ist um uns herum. Nicht umsonst sind so viele Firmen natürlich total überrascht worden, dass jetzt das digitale Thema eigentlich das ist, das Bein ist, auf dem man stehen könnte. Und viele stehen nicht auf dem Bein, weil sie das halt über 20 Jahre nicht richtig priorisiert haben. Und jede Company hat da einen unterschiedlich großen Rucksack und auch einen unterschiedlichartigen Rucksack. Aber ich glaube, dass das Thema Digitalisierung – der Begriff ist schwierig. Ich meine, das sind so Ausbaustufen. Digitalisierung riecht eher so nach Elektrifizierung, sozusagen das Übertragen von bestehenden Prozessen, Abläufen und Modellen in eine digitale Welt. Das ist das Eine. Die Ausbaustufe ist ja letzten Endes dann Transformation, also die Frage: Wie kann ich jetzt in der digitalen Welt letzten Endes neue Geschäftsmodelle erschließen oder andere Revenue-Streams im Grunde identifizieren? Wenn man da jetzt anfängt, noch einmal differenziert hineinzuschauen, dann gibt es natürlich auf diesen beiden Ebenen noch einmal eklatante Unterschiede, wie weit die Firmen sind. Die meisten sind ja noch mit der Elekrifizierung sozusagen beschäftigt, beziehungsweise überfordert. Und da sind wir noch gar nicht bei der Frage: Was für Geschäftsmodelle oder neue Opportunitäten ergeben sich denn im digitalen Lösungsraum? Da sind wir ja noch oftmals gar nicht angekommen.
Stefan Hamann: Da kann ich absolut bestätigen aus eigener Erfahrung. Ich glaube auch, dass wir da insgesamt in Deutschland einfach noch super analog unterwegs sind, was gleichzeitig aber auch viel Potenzial birgt. Ich habe immer den Eindruck, dass sich auf so einer typischen Geschäftsführungsebene von einem beliebigen mittelständischen Unternehmen, superschwergetan wird, wirklich Digitalisierung auch als unternehmensstrategisch relevant einzustufen. Ich habe immer den Eindruck, dass sind oft eingefahrene Strukturen, eingefahrene Situation, und dann wird praktisch ein Heilsbringer gesucht, also der Chief Digital Officer oder wie auch immer. Der soll den ganzen Laden um 180 Grad drehen und voll in die digitale Zukunft führen. Glaubst du, dass solche Modelle funktionieren oder muss das noch organischer aus der Organisation selbst belegt werden?
Stefan Wenzel: Da bin ich sehr, sehr skeptisch, um das einmal vorsichtig zu formulieren. In der Regel sind diese CDO-Konstrukte ziemlich zahnlose Tiger, weil Digitalisierung als Einstieg sozusagen… Aber natürlich digitale Transformation, neue Geschäftsmodelle et cetera, das ist natürlich nichts, was irgendeine Stabsfunktion erledigen kann. Letzten Endes ist der CEO der Chief-Digitalisierer, der ist (auch gleich?) Chief Brand Officer. Also, das ist im Grunde das Epizentrum, von dem alles ausgehen muss. Der braucht aber by the way auch noch einen Eigentümer und Kontrollfunktion drumherum oder obendrüber, die das genauso sieht. Also ein Aufsichtsrat, ein Beirat, Eigentümer, Geldgeber, Investoren, wie auch immer, sind genauso gefordert und notwendig, um dann auch dem entsprechend gestrickten CEO das alles auch zu ermöglichen, den Weg mitzuplanieren, den er gehen muss. Wenn ich als im Grunde analoger CEO glaube, dass ich mir mit einem CDO, der mir für Konferenzen Slides malt und mich so ein bisschen mit den Buzzwords ausstattet und (unv.) und Workshops macht und Design Thinking erklärt und so etwas, sozusagen den Laden umdrehe oder ordentlich auf (unv.) kriege, da wäre ich sehr skeptisch.
Marcus Diekmann: Ich hatte ja einmal, ich glaube, letztes Jahr im Dezember war das, einmal für die t3n und einmal für die CDO Insight zwei Artikel verfasst, die aber beide ein bisschen anders ausgestaltet waren aber ansonsten gleich: „Digitalchefs: wie Antidepressiva bei Herzinfarkt“. Und da habe ich über meine eigenen Erfahrung als CDO gesprochen. Ich finde das schon lustig. Da treffen sich zwei Leute auf dem Flur, und der eine Personalchef sagt: „Ich mache eine Stellenausschreibung, ich suche einen CDO für unseren Laden“, und der andere auch. Der andere meint eigentlich einen Digitalisierer, also einen Automatisierer, habe ich den immer genannt, was du Elektrifizierer genannt hast. Und der andere sagt, der soll das Business Model aufräumen. Und eigentlich müsste ja jede Abteilung digital denken. Also auch jeder Bereichschef müsste digital denken. Da sehe ich genau den Unterschied. Und wenn der CEO neue Geschäftsmodelle nicht versteht, dann braucht man vielleicht einen neuen CEO, aber keinen CDO. (Unv.) Und wenn du jetzt einmal guckst, du hast ja eine krasse Bandbreite an Erfahrung von eBay bis Tom Tailor: Was sind denn die Tipps, wenn du heute dir Traditionsunternehmen anguckst. Jetzt kannst du ja auf einem anderen Stuhl sitzen, du musst es ja gerade nicht selber machen. Was kannst du jetzt also mit dem weißen Bart (unv.) an Tipps heraushauen und sagen: „Diese Firma, wenn ihr wirklich morgen überleben wollt, das sind die großen Dinge, die ihr jetzt angehen müsst.“ Das kann auch von Kultur angefangen, bis…
Stefan Wenzel: Ich würde mit dem ersten Thema noch einmal anfangen, zurückkommen zu dem Artikel und zu den beiden Personalern. Letzten Endes ist diese ganze CDO- Nomenklatur aus meiner Sicht ein totales Übergangsphänomen. Und wenn man da einmal mit einem Hundertjahrespektrum darauf schaut, dann ist das auch gar nicht so schlimm, dass man einmal über ein paar Jahre so etwas benutzt hat. Aber das mutet so ein bisschen an, als würde man den Chief Strom Officer diskutieren. So selbstverständlich wie Strom in der Firma ist und wie jede Abteilung unreflektiert mit Strom hantiert, genauso ist ja das Thema digital ein Stück weit Infrastruktur, Lösungsraum. die Welt, in der wir uns bewegen. Das wird man, glaube ich, in paar Jahren so nicht mehr in den Berufsbezeichnungen sehen. Es gibt ja im Grunde keine Abteilung, keinen Job in einer Firma, über die ich jetzt nachdenken könnte, wo das Thema digital nicht eigentlich komplett verwoben ist in das, was die den ganzen Tag tun und die Lösungsräume, die sich erschließen müssen.
Um zu deiner Frage zurückzukommen, wenn ich auf Legacy-Firmen schaue, was sind so die großen Themen? Ich glaube, in den meisten Companies ist das Thema Kultur der rosa Elefant im Raum. Und das ist natürlich auch das, was am schwierigsten anmutet, weil man ja schlecht alle Leute nach Hause schicken kann. Auf der anderen Seite geht es auch darum, ein Stück weit aus einem gesellschaftlichen Aspekt, da Reisen und im Grunde auch Entwicklungsgelder zu definieren, damit man Leute mitnimmt. Also es ist ein großes Spannungsfeld, wo man, glaube ich, zwischen Geschwindigkeit, Komplexität, Philanthropismus, Darwinismus unterwegs ist. Am Ende vom Tag brauche ich aber natürlich eine Company, eine Kultur. Ich brauche Leute on the round, die können und wollen. Das ist ja inhaltlich genauso disruptiert worden, was da die Anforderungen sind, wie die Technologie, auf die wir schauen. Es gibt das Beispiel mit dem Marketing. Also der Marketingmitarbeiter oder Marketingleiter vor 15 Jahren hat sich mit einer Handvoll primär analogen Kanälen beschäftigt. Da gab es keine Attributionsmodelle und Tracking-Probleme und ich weiß nicht, wie viele Kanäle (unv.) muss und „always on“. Wenn ich mir das Berufsbild einmal anschaue, das ist ja denkbar weit entfernt von dem, was es vor 15 Jahren war. Und natürlich kann man Leute immer weiter ausbilden und mitnehmen und das soll man auch tun. Auf der anderen Seite muss man auch schauen: Inwieweit kann ich mir das finanziell erlauben, das alles mitzunehmen? Wie weit lässt sich das entwickeln? Wird aus dem Torhüter jemals ein Mittelstürmer? Wahrscheinlich nicht. Ich glaube, dieses Assessment, So brutal das klingt, muss man ein Stück weit machen. Es ist das erste Thema, was ich nennen würde. Kultur, Team, die richtigen Talente, der richtige Spirit in der Firma. Das ist letzten Endes die absolute Grundvoraussetzung.
Marcus Diekmann: Der Punkt ist spannend, weil das ja gerade ein Riesenthema unserer Gesellschaft ist. Hand aufs Herz, alle mal eben weghören aus sozialen Gesichtspunkten, die uns allen sehr wichtig sind: Jeder weiß, wie hart es ist, wenn man Mitarbeiter entlassen muss und welche soziale Verantwortung man hat. Wenn man in entscheidenden Stellen, wir reden jetzt gerade über Leadership, Abteilungsleiterstruktur, du willst jetzt den Laden drehen.
Sagst du gerade damit: „Keine Zeit für Befindlichkeits-Management. Wir müssen radikal aufräumen. Wer es nicht schnell genug versteht, nicht schnell genug mitgeht, der muss ausgetauscht werden“? Oder habe ich dich da falsch verstanden?
Stefan Wenzel: Um es betriebswirtschaftlich zu beantworten: Das ist eine Frage der Kapitaleffizienz. Es geht natürlich schneller im Zweifel, wenn ich mir sehr viel Talentkompetenz von außen hereinhole. Da wird es um den Mix gehen, denn wenn es eine Legacy-Company ist, brauche ich auch stehende Kultur. Ich kann nicht alles über Nacht nach Hause schicken und neue Leute hereinholen. Ich glaube, das kann man pauschal nicht sagen. Ich will nur dafür werben, so gut es geht, Leute mitzunehmen auf eine Reise. Aber zeitgleich auch realistisch genug zu sein, sich anzuschauen: Wie schnell komme ich über welchen Weg auf eine kritische Masse der Willigen und Fähigen? Denn ich muss eine kritische Masse erreichen, um dann tatsächlich auch Kultur ans Werken zu bekommen. Es geht ja nicht darum, Kultur als Selbstzweck vorzuhalten. Sondern es geht ja darum, eine Kultur zu etablieren, mit der ich im Zweifel schneller, besser, agiler, lern- und testfähiger, analytischer, wie auch immer, mein Geschäft weiterentwickeln kann oder mich selbst disruptieren kann.
Michael Atug: Aber darum geht es doch am Ende des Tages.
Stefan Wenzel: Ja genau, das sage ich ja. Genau darum geht es. Die Leute brauche ich aber. Und wenn ich die entwickeln kann aus dem bestehenden Team, ist das natürlich absolut präferiert. Manchmal wird es aber nicht möglich sein. Und dann muss man im Zweifel Leute dazuholen oder auch Leute austauschen. Es gibt auch Leute, die haben darauf gar keine Lust. Die wollen auf so einen Kulturwandel gar nicht sich einlassen, weil ihnen das vielleicht zu anstrengend ist. Das gibt es ja auch alles. Also das kann man pauschal nicht sagen. Aber ich würde behaupten, man kann das nicht überbewerten, wie wichtig Kultur, Team für jedwede Firma nach vorne ist, die in diesem intensiven Wettbewerb bestehen will.
Stefan Hamann: Es gibt ja diesen berühmten Spruch: „Culture eats strategy for breakfast“. Ich habe immer den Eindruck, das ist total richtig. Die Kultur muss mitziehen. Aus einer angestammten Kultur muss sich noch eine Leistungskultur entwickeln können, weil das einfach die Grundvoraussetzung für Progress, für Change und so weiter ist. Aber die Strategie muss ja am Ende auch richtig sein. Die Strategie muss auch gut kommuniziert sein. Man muss sich vorher, glaube ich, auch überlegen: Was ist denn eigentlich im Rahmen meiner Möglichkeiten überhaupt realistisch machbar? Da habe ich immer den Eindruck, dass wir da eigentlich nur in Extremen unterwegs sind. Dass man sich entweder viel zu wenig zutraut oder aber viel zu viel. Also, in der Mitte, wirklich realistische Pläne, wo man sagt, man kann tatsächlich in seiner Branche, in seinem Bereich hier ein neues digitales Geschäftsmodell einführen, und das kann man wirklich auch gut und iterativ machen, und kann daran lernen und die ganze Organisation mitnehmen, das findet aus meiner Perspektive viel zu selten statt. Es sind sehr viel mehr diese Extreme. Entweder wir trauen uns gar nichts oder wir wollen die Welt erobern.
Stefan Wenzel: Da bin ich bei dir. Ich glaube nur, wenn du das richtige Team und die richtige Kultur hast, bist du einfach so ausgestattet, dass du effektive Strategien entwickelt, verwirfst, anpasst, neue aufsetzt, andere Wege gehst. Du brauchst eine Grundflexibilität, eine Grundagilität in den Köpfen, eine gewisse Angriffslustigkeit, eine gewisse Analysefähigkeit, aber auch eine gewisse Kreativität. Du brauchst ein sehr diversifiziertes Team, was aber in der Grund-DNA Geschwindigkeit hat und im positiven Sinne einen Angriffswillen. Und wenn das der Fall ist, da bin ich völlig bei dir, dann brauchst du eine marktfähige Strategie. Und die gibt es seltener, als man denkt. Es gibt zwar immer Strategieunterlagen und PowerPoints ohne Ende, aber dieses kundenzentrierte, vom (unv.) her gedachte, das ist auch nicht so omnipräsent wie man das in den Pressemitteilungen oder auf den Konferenzbühnen gerne hört. Ich wollte kurz den zweiten Punkt noch ausführen: Wenn Kultur das absolute Fundament ist, dann ist, glaube ich, relativ schnell danach das Thema (unv.) sofort auch irgendwie im Raum. Und in Legacy-Firmen ist das neben Kultur sicherlich auch ein zweites Thema, an dem schwer getragen wird. Also wie bin ich in der Lage, marktfähige Angebote zu launchen letztendlich? Wie schnell bekomme ich eigentlich irgendetwas von der Rampe? Das, was ich konzeptionell mir vielleicht jetzt mit den richtigen Leuten erarbeitet habe, wie schnell kriege ich das denn eigentlich verprobt und minimalinvasiv in den Markt hinein, damit ich schnell lerne, anpasse und es irgendwann hoffentlich skalieren kann? Da geht es um Technologie, da geht es um Datenstrukturen in Companies. Habe ich überhaupt ein Datenmodell? Habe ich eine in sich kongruente Sicht auf meine Daten von Produktdaten, Bewegungsdaten, Kundendaten? Wie sind die überhaupt miteinander verknüpft und so harmonisiert, dass sie auch tatsächlich (unv.) Sichten anwendbar machen kann, aus denen ich dann auch Ableitungen treffen kann oder CRM-Programme oder mein Sourcing optimiere oder Nachfrageprognosen machen kann, et cetera, et cetera? Das alles basiert auf Daten, Infrastruktur/Tech. Und das ist typischerweise auch ein Riesenproblem in Legacy-Companies, die irgendwelche ERP-Systeme seit hundert Jahren mitschleppen und eigentlich auf eine sehr fragmentierte System- und Datenlandschaft schauen. Und jeder fummelt mit Excel-Tabellen herum und bastelt sich einen eigenen Report. Firmen, die aus der Garage kommen, überspringen ja das ganze Problem und setzen mit vernünftigen Modellen auf und können natürlich viel schneller Kundenwirksamkeit entfalten und darum geht es ja.
Michael Atug: Herrlich. Da kann ich die ganze Zeit zuhören.
Marcus Diekmann: Und Stefan, warum hast du Tom Tailor verlassen Ende des Jahres?
Stefan Wenzel: Ich war zweieinhalb Jahre bei Tom Tailor und der damalige Vorstand, als ich Ende 2017 in den Gesprächen war… Mir ging es um die Frage: Wie schnell kriegen wir bei Tom Tailor, aus einer Restrukturierung kommend, einen vernünftigen Plan nach vorne, um die Company insgesamt vernünftig aufzustellen? Ich will da gar nicht so endlos ins Detail gehen, aber das, was öffentlich nachlesbar ist, ist, dass relativ schnell durch ein zweites Label, das zur Tom-Tailor-Gruppe gehört namens Bonita, das ist ein Best-Ager-Konzept, ein reiner vertikaler Ansatz, wieder großer Druck auf die Finanzarchitektur der Gruppe ausgeübt wurde. Und im Laufe der zwei Jahre hat sich dann einiges ergeben: Eigentümerwechsel, neue Finanzierungsthemen. Die Gruppe ist, das ist kein Geheimnis, ein ziemlich gestresstes System, das darf man wohl sagen. Ende 2019, als für mich klar war wohin die Reise mutmaßlich gehen wird, habe ich für mich konkludiert, dass das nicht mehr eng genug am ursprünglichen Briefing war. Und dann ist das, glaube ich, völlig okay, dass man dann seinen Vertrag nicht weiter verlängert Und dann habe ich das im Dezember 2019 Vorstand und Aufsichtsrat mitgeteilt, dass ich dann zum Sommer 2020 die Company verlassen werde. Ich war bis zum letzten Tag da voll an Bord. Was dann ab März passiert ist, brauche ich euch nicht zu sagen. Wir waren der einzige Kanal in der gesamten Company, der überhaupt noch im Grunde live war. Insofern war ich da bis zur letzten Minute komplett mit an Deck und das ist auch völlig in Ordnung so. Ich bin jetzt seit Juli raus und genieße das extrem, jetzt einmal nicht mehr im System zu wurschteln. Wie heißt es bei Kurt Tucholsky so schön? „Von innen sieht ein Hamsterrad aus wie eine Karriereleiter.“ Ab und zu ist es gut, wenn man einmal heraustritt und einmal von außen auf das Ding schaut und nicht nur im System fummelt. Das genieße ich jetzt seit Juli. Ist ja noch nicht lang. Aber das genieße ich jetzt. Nach einem Sommer an der Nordsee genieße ich das jetzt extrem, in Projekten mit Gründern Dinge zu machen. Ich habe jetzt im Private-Equity-Kontext so Deal-Advisory-Theman. Da sieht man ganz andere Firmen und ganz andere Fragestellen. Das ist einfach super. Aber irgendwann, weiß ich, wird es wieder in den Fingern jucken, dann will man wieder zurück in eine operative Rolle. Ich gehe jetzt nicht auf den Methusalem-weißer-Bart-kraulen-dot-com-Modus. Das ist noch zu früh. Da habe ich, glaube ich, noch zehn Jahre mit ordentlich Vollgas vor mir.
Michael Atug: Da hast du mir meine Abschlussfrage geklaut: Wo werden wir dich bald wiedersehen? Aber das werden wir schon alle mitkriegen, glaube ich. Was mich noch so interessieren würde, ganz schnell – wie umschreibe ich das jetzt charmant? Kann ich ja eigentlich gar nicht.
Marcus Diekmann: Wird dir nicht gelingen. Hau raus.
Michael Atug: Stefan, wird man nicht manchmal müde? Wird man nicht manchmal müde, weil man einfach denkt: „Oh mein Gott!“ Jetzt sitzt du da wieder in so einem Meeting, wo du denkst: „Uff, die verstehen gar nicht, wovon ich träume, rede, was meine Vision ist.“ Wie motivierst du dich dann immer wieder nach so langer Zeit? Denn wir beide haben ja eins gemeinsam, wir sind schon verdammt lange dabei. Markus, wie lange bist du schon im E-Commerce überhaupt? Stefan ja auch schon ewig. Wir vier sind ja schon echte Dinos. Wie motivierst du dich da? Du weißt schon, was ich meine?
Stefan Wenzel: Ja, total. Und natürlich gibt es die Momente, wo man abends herausgeht und denkt: „Halleluja.“ Wie motiviere ich mich? Ich meine, ich bin von der Genetik her schlichtweg Kategorie: Gestalten, gehen, machen. Ich bin ja kein BWLer, sondern ich habe Pädagogik mit Schwerpunkt Psychologie studiert. Der ein oder andere wird lachen. Obwohl das ja so lange her ist, dass man das eigentlich kaum mehr erwähnen sollte, aber da ist wahrscheinlich auch noch irgendwie so ein bisschen der Weltverbesserer in mir. Dieser Antrieb, zu gestalten und Leute dabei mitzunehmen, der ist halt bei mir einfach, das ist ein genetischer Fehler wahrscheinlich, extrem ausgeprägt. Ich werde da nicht müde. Ich habe da Momente, da läuft mir alles aus dem Ohr. Aber das ist auch schnell wieder weg. Ich gehe dann laufen oder lege mich ins Bett. Und am nächsten Tag, glücklicherweise ist es bei mir so, stehe ich auf und dann gehe ich los. Von daher: Frust ja, aber im Grunde überwiegen ja die Momente, in denen man sich darüber freuen kann, etwas gemacht zu haben. Ich meine, jeder, der mal ein Business gelauncht, skaliert hat, der sieht, dass das funktioniert, der gutes Kunden-Feedback bekommt, das sind einfach tolle Sachen. Der Teams aufbauen durfte, wo Leute, die mit null Ahnung von der Uni gekommen sind, auf einmal sich hineinentwickeln in tolle Positionen und einen superpositiven Job machen. Das sind alles so extrem belohnende Momente, (Unv.) aufbauen und verändern. Ich hatte Teamgrößen in Richtung 400. Das hat man natürlich den ganzen Tag Themen ohne Ende, die eigentlich mit dem Kern-Business insofern gar nichts zu tun haben, als dass sie nicht rein eindimensional fachlich sind. Aber auch das ist ja superspannend, Organisation dahingehend mitzunehmen und es aufzubauen und zu entwickeln. Von daher bin ich da voller Leidenschaft ob des Gestaltungsmoments und fühle mich da immer wieder total belohnt, wenn man bei allen Rückschlägen, die es natürlich gibt, trotzdem sieht, dass da vom Grundsatz her mehr richtig als falsch passiert.
Marcus Diekmann: Ich stelle meine Frage zurück und sage lieber: Sobald du deinen neuen Job angetreten hast zukünftig, stelle ich sie dir, weil ich finde, das waren gerade unglaublich tolle Abschlussworte von dir. Ich meine, das ist ja hier Dreimal digital plus immer ein Gast. Das Coole ist, das habe ich auch wieder gemerkt, es ist einfach eine Horde Mache und ich glaube, das turnt uns alle an, oder? Und ich kann sagen, ich bin seit 2004 dabei, Michi ist noch ein bisschen eher dabei, 2001 hast du angefangen. Stefan, wann bist du angefangen?
Stefan Hamann: 2000.
Michael Atug: Aber hör mal, Markus, das kannst du aber jetzt knicken, wenn du jetzt schon das Gespräch zu Ende kriegen willst. Ich will noch unbedingt ein Thema ansprechen.
Stefan Hamann: Ja, ich hätte auch noch eine Frage tatsächlich.
Michael Atug: Sehr gut, dann du zuerst, Stefan.
Stefan Hamann: Ich habe mich gefragt, du warst ja auch viele Jahre eBay-Deutschland-Chef: Wie guckst du heutzutage auf ebay? Findest du, die haben irgendwie ihre unternehmerische Vision, die vielleicht damals auch schon klar stand, weiter durchgezogen, die sind auf einem guten Weg? Oder sagst du: „Oh je, oh je, das kann ich mir jetzt nicht erklären, warum da vielleicht auch zu wenig passiert.“?
Stefan Wenzel: Die Anzahl der Jahre, die ich Geschäftsführer Deutschland war, die ist relativ überschaubar. Ich war insgesamt dreieinhalb Jahre in der eBay-Gruppe, mehr war es dann auch nicht. Ich war allerdings in der Phas des ersten großen Splits. Ich bin unter John Donahoe hineingekommen, noch mit PayPal, und habe dann die Separierung von PayPal live erlebt. Und jetzt kommt ja quasi eine zweite große Welle der Aufteilung der Company. Ich meine, das ist eine unheimlich schwierige Frage, und ich glaube, viele unterschätzen auch zum Teil die Komplexität dahinter. Das ist alles andere als trivial. Wenn du dir das Markplatzgeschäft einmal isoliert anschaust, dann ist das immer noch ein extrem hochvolumiges Ökosystem. Und jeder, der sich mit Marktplätzen beschäftigt, weiß, wie schwer das ist, so ein Ökosystem mit gewisser Liquidität überhaupt aufzubauen. Diese Netzwerkeffekte, über die man da gerne spricht, da ist also Nachfrage und da ist Angebot in einem Umfang, dass tatsächlich da 180 Millionen Käufer irgendwie bedient. Das ist ja schon einmal irre. Und mit 90 Milliarden Dollar (unv.) pro Jahr ist das auch nach wie vor eine absolute Präsenz und Marktmacht. Die Frage ist schlichtweg: Was muss denn jetzt passieren, dass der Marktplatz selber wieder deutlich an Wachstumsdynamik gewinnt? Wichtig ist, da auch immer einen Blick auf die Investoren zu richten. Habe ich die richtigen Investoren, die mir auch die Möglichkeit geben, in solche Wachstumsfelder zu investieren? Das ist die eine Frage. Ich will das nicht beantworten und kommentieren. Aber das ist eine wichtige Frage. Und die zweite ist: Ist die Roadmap der strategischen Themen so, dass man daraus weiter an PS auf die Straße bekommt? Und dieses Thema gemanagter Marktplatz, auf dem sie gerade schwer unterwegs sind, halte ich für strategisch total richtig. Zu sagen, ich habe ein Ökosystem, wo ich Qualitätsstandards ein Stück weit mit hineinbringe, die vorher der Kunde, der User, der bei was weiß ich wie vielen verschiedenen Verkäufern sehr unterschiedliche Service-Levels zum Beispiel und Zahlungserlebnisse hatte. Dass ich das ein Stück weit manage, halte ich erst einmal für strategisch gut. Ich glaube, dass das Thema Logistik Fulfillment strategisch hochrelevant ist. Wie schaffe ich es eigentlich meiner Händlerbasis, die keine vernünftigen Service-Levels hinkriegen, Zugang zu geben zu vernünftigen Lösungen? Das halte ich alles erst einmal grundsätzlich für total sinnvoll. Sie scheinen sich jetzt auch ein Stück weit wieder mehr auf das Thema C2C zu schwingen, weil natürlich das auch Teil dieses Fly-Wills ist. Historisch kommt man da her. Auch da habe ich viel Fantasie, dass man damit was erreichen kann. Aber ehrlicherweise ist das immer ganz gefährlich, wenn man weg ist und dann von der Seitenlinie jetzt schlau nach hinten schaut. Das halte ich für extrem schwierig. Ich kann nur soviel sagen: Ich glaube, von der Distanz, Gefühl ist: Man hat gute Themen jetzt am Wickel. Und wie in jeder großen Company ist, glaube ich, die Kunst, das jetzt auch vernünftig einmal zu launchen und schnell zu sein, auf Feedback zu hören, vor allen Dingen von den Verkäufern, denn da gibt es so viele Fachleute, die extremst in den Details drin stecken und wissen, was da alles im Argen ist. Das weiß bei ebay so eigentlich keiner. Und man leveragt das viel zu unsystematisch, was da an Know-how ist. Michael lacht, weil er das natürlich alles weiß.
Stefan Hamann: Michael nickt übrigens die ganze Zeit. Für die Zuhörer, die das nicht sehen können.
Stefan Wenzel: Ja, weil er einer derjenigen ist, die seit Jahren versuchen, diese Brücke zu bauen von den Verkäufern hinein in die Firma ebay, und weiß, wie frustrierend das ist oder sein kann. Aber das sind sicherlich wichtige Themen: Auf die Verkäufer hören, auf die Käufer hören, um dieses Ökosystem B2B, B2C und C2C, Import und Export zu managen. Alle, die da zuhause mit ihrem Online-Shop und 16 Bestellungen am Tag mit Argwohn daraufschauen, sei nur gesagt: „Die Komplexität ist halt auch nicht ganz so gering, weil das multidimensional ist.“ Das ist wie eine Biosphäre, und der Besitzer dieser Biosphäre dreht an Temperaturreglern, an Ökosystemrelevanten Stellschrauben und hat ja quasi selber weder das Inventar, noch die Käufer, wenn man so will, sondern managt das Ökosystem. Und das ist halt etwas anderes als Retail und insofern nicht ganz trivial.
Marcus Diekmann: Da muss ich dir ein bisschen nur widersprechen, also gar nicht viel. Ich würde eher sagen, es fehlt an Mut zu entscheiden von den Inhabern, seien es die Stakeholder oder whatever. Ich glaube, wir haben, umso größer die Unternehmen, umso weniger Mut, dann am Ende noch irgendeinen zu finden, der die Entscheidung treffen möchte, einen nicht mehr profitablen Weg abzuschneiden in Teilbereichen und auch andere dafür stärker zu setzen und zu fokussieren. Ich glaube, das ist das große Problem. Das ist vielleicht einfach, wenn man ein kleineres Unternehmen ist. Aber selbst im Mittelstand ab über 20 Millionen Euro Umsatz wird es wahrscheinlich schon schwer, ihm zu sagen: „Eigentlich mache ich zwei Millionen mit dem Bereich und soll den jetzt morgen nicht mehr machen. Und soll dafür eine Wette eingehen, dass ich mit dem anderen Bereich vier mache.“
Stefan Wenzel: Das war das aber, was ich eingangs sagte mit den Investoren. Die Frage ist ja: Was ist das eigentlich? Ist das ein Wachstums-Case? Ist das ein Profitabilitäts-Case? (Unv.) Ergebnis-Case? (Unv.) sind halt hochprofitabel und durften deswegen im Grunde nie Ihre Margenstruktur großartig verbessern, was dazu führt, dass du gar nicht in diese großen Investitionsthemen hineingehen kannst. Da bin ich bei dir. Das ist natürlich der Ausgangspunkt, zu sagen: Was bin ich denn eigentlich? Wenn ich investieren muss, dann darf ich das auch bitte in meiner Bilanz und in meiner GuV auch bitte einmal sehen dürfen.
Michael Atug: Ja, Stefan, das wird verdammt spannend. Mit ebay hast du jetzt ja schon ein paar Sachen angeschnitten. Ich habe da natürlich meine eigene Meinung. Ich sehe halt viel, was man machen könnte. Mir persönlich ist das aktuell ein bisschen zu wenig. Potenzial ist da. Ebay Kleinanzeigen ist nicht mehr dabei, PayPal ist raus. Vielleicht kann man sich jetzt einfach wirklich einmal auf den Kern konzentrieren und versuchen, das Ding nach vorne zu bringen, denn wir Verkäufer selber wollen ja. Wir wollen ja nicht nur eine Abhängigkeit von einem Marktplatz, sondern wollen ja breit aufgestellt sein. Und gerade, wenn du ein gutes ERP-System hast, ist das ja auch kein Ding, da verschiedene Marktplätze anzuspielen. Ich hoffe nach wie vor, das eBay da Gas gibt und sich noch besser wieder entwickelt.
Stefan Wenzel: Ich würde einmal eine Ebene abstrahierend nach oben gehen. Das ist aber ein gutes Beispiel aus meiner Sicht für die Notwendigkeit – wir hatten eben das Thema Kultur – im Grunde auch über eine Firmenkultur sicherzustellen, und das betrifft alle großen Companies früher oder später in unterschiedlichem Ausmaß: Wie schaffe ich, das Innovations-Gain live zu halten? Das ist ja ein Stück weit das Thema. Da muss man jetzt gar nicht eBay als Beispiel nehmen, da kann man ganz viele Beispiele nehmen, wo man einfach sieht, dass groß gewachsene Companies einfach diese Pace verlieren, diese positive Aggressivität sozusagen, diese Paranoia dem Markt gegenüber. Das geht verloren, und dann passiert halt das, was man zahlreich sieht. Und das ist eigentlich ein Stück weit für mich, dieser Weckruf an uns selbst, an jeden selbst. Denn Großwerden wollen ja alle. Wir alle wollen ja große Firmen bauen. Und darin liegt die Gefahr. Das heißt: Wie schaffe ich es, eine Kultur zu etablieren, die auf Dauer das vermeidet? Und diese Lösungsräume, die in unserer Branche dann immer wieder hochkommen, werden ja zum Teil auch einfach nur kopiert. Stichwort: Jeder wird jetzt Marktplatz. Da könnten wir jetzt auch noch einmal eine Stunde drüber sprechen. Aber ist das die einzige Antwort, die es aktuell auf Amazon und Co. gibt? Ich hoffe nicht. Letzten Endes sind das alles gute Beispiele für das Thema Innovationskultur, Marktorientierung, Kundenorientierung. Wie kriege ich es hin, dass mir am Ende vom Tag nicht die Butter vom Brot genommen wird?
Michael Atug: Das stimmt. 173 Marktplätze sind es aktuell.
Marcus Diekmann: Cool. Also ich finde: Gute Schlussworte. Ich habe mir das gerade mitgeschrieben. Stefan, wenn du es mir erlaubst, würde ich das noch öfter zitieren. Ich fand es wirklich gute Wordings. „Positive Aggressivität, die man nie verlieren darf“, habe ich mir aufgeschrieben, finde ich mega. Ich beschreibe mich selbst immer als „optimistisch unzufrieden“. Das steht auch, glaube ich, auf einem Xing-Profil als Spruch. Das passt nämlich, ich habe eine neue Übersetzung dafür: paranoid, dass ein andere von links einen angreifen und überholen kann. Das ist, was man, glaube ich, wirklich nie verlieren darf. Also danke für die guten Impulse. Und danke für das tolle Gespräch.